KI für den Mittelstand

Das  deeplify-Team von links nach rechts: Jan Luca Itzeck, Jan Löwer, Tim Schwabe, Nils Kuhnert, David Cuzinov

Das deeplify-Team von links nach rechts: Jan Luca Itzeck, Jan Löwer, Tim Schwabe, Nils Kuhnert, David Cuzinov ©deeplify

Jan Löwer und Tim Schwabe kennen sich schon länger. Bereits während des Physik-Masterstudiums haben sie die ersten kleineren Anwendungsprojekte im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und Data Science umgesetzt. Mit deeplify haben sie ihrer Begeisterung für die Praxis nun die Form eines eigenen Start-ups gegeben und mittels KI-Technologie eine automatisierte Lösung für die Qualitätssicherung im Mittelstand entwickelt. Im Interview erzählen sie von ihren Erfahrungen bei der Gründung.

Beschreibt eure Gründungsidee:

Wir möchten dem Mittelstand helfen, mithilfe von Automatisierungen und Optimierungen vom aktuellen Innovationsstand zu profitieren. Hierfür nutzen wir vor allem Methoden aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz. Unsere Gründungsidee dreht sich konkret um die Automatisierung und Verbesserung der industriellen Qualitätsprüfung. Durch manuelle Prüfungsmethoden entstehen hier in vielen Fällen unnötig hohe Kosten. Zudem wird das Problem massiv durch den steigenden Fachkräftemangel verstärkt. Um dieses Problem zu lösen, haben wir eine KI & Computer-Vision Plattform entwickelt, mit der unsere Kunden eigenständig und benutzerfreundlich KI-Algorithmen für ihre Produktionslinie erstellen und verbessern können. Das Ganze paaren wir mit einem All-in-One Prüfsystem und einer maßgeschneiderten Individualisierung des initialen KI-Modells durch das deeplify-Team.

Wie kamt ihr auf den Gedanken, ein Start-up zu gründen?

Wir haben schon in unserem Physikstudium viel zusammen gearbeitet, waren beide vor allem an KI und Data Science interessiert und wollten dieses Know-How in praktische Anwendungsbereiche bringen, um echten Mehrwert zu schaffen. Angefangen haben wir relativ spontan, parallel zu unserem Masterstudium in Form von kleineren Dienstleistungen im Bereich der Softwareentwicklung und Data Science. Die Produktidee selbst stammt aus einem konkreten Anwendungsfall aus dieser Zeit, sodass wir den Entschluss gefasst haben, die Unternehmung nach Abschluss des Studiums weiter zu verfolgen.

Wie ließ sich die Gründung mit dem Studium/dem Beruf vereinbaren?

Der anfängliche Aufwand unserer Projekte war überschaubar genug, sodass es uns möglich war, das Masterstudium weiterhin regulär zu absolvieren. Auch finanziell gesehen war glücklicherweise nicht noch ein weiterer Nebenjob oder Ähnliches notwendig. An sich war das Start-up eine Nebenbeschäftigung zum Masterstudium. Aber wir müssen dennoch zugeben, dass diese Phase schon sehr anstrengend war, gerade wegen der doch nicht unerheblichen Doppelbelastung.

Die WORLDFACTORY bedeutet für uns…

...vor allem engagierter Support und eine gute Beratung. Gerade bei Themen wie Fördermittelanträgen und Ähnlichem wird man von den Mitarbeiter*innen der WORLDFACTORY intensiv und hilfreich unterstützt. Hinzu kommt ein gutes Netzwerk und eine erhöhte Sichtbarkeit. Außerdem wurde uns hierdurch der Kontakt zu anderen Start-ups, Gründerinnen und Gründern ermöglicht.

Was sind die größten Herausforderungen, auf die man stoßen kann und wie geht man damit um?

Eine große Herausforderung war es, unser sehr technisch aufgestelltes Gründer-Duo um eine dritte Person mit komplementären Skills zu ergänzen. Hierzu konnten wir nicht auf persönliche Bekannte zurückgreifen, sondern mussten die Co-Founder-Suche anderweitig realisieren.
Dazu haben wir verschiedene Plattformen genutzt, um mit potenziellen Co-Foundern ins Gespräch zu kommen. Einen Tipp, den wir bezüglich der Co-Founder-Suche nennen können, ist, sich hierfür ausreichend Zeit zu lassen und von Anfang an transparent über alle Themen sowohl auf vertraglicher als auch persönlicher Ebene wie „Zusammenarbeit“, „Verantwortung“ und „Ziele“ zu sprechen. Es gibt hierfür im Internet nützliche Fragen-Guidelines, die wir wirklich sehr empfehlen können, und das nicht nur für ein Gespräch mit einem fremden und neuen Co-Founder, sondern auch für einen intensiven Austausch mit dem ursprünglichen Gründerteam. Erwartungshaltungen sollten von Anfang an klar benannt werden, damit man früh genug erkennt, über welche Themen man sich vielleicht noch einmal detaillierter austauschen muss. Lieber am Anfang einmal ausführlicher unterhalten als erst im Nachhinein Probleme und unterschiedliche Erwartungen festzustellen.

Was ist das Besondere an eurem Start-up?

Trotz der Tatsache, dass wir ein sehr technisches Team mit einer komplexen Thematik sind, ist es für uns sehr wichtig sowohl innerhalb des Teams selbst als auch nach außen hin ein hohes Maß an Menschlichkeit zu besitzen. Unser Antrieb liegt darin, komplexe Probleme zu lösen und echten Mehrwert zu schaffen. Klar fasziniert uns das Thema künstliche Intelligenz, aber es ist für uns in erster Linie ein Tool, um unsere Ziele zu realisieren und nicht der Zweck selbst. Dementsprechend begegnen wir jedem Problem aus der Sicht des Kunden mit Fokus auf die Problemstellung und versteifen uns nicht auf von uns theoretisch konzipierte Lösungen.

Wo steht ihr aktuell und was kommt als nächstes?

Wir haben gerade ganz frisch unsere GmbH gegründet und arbeiten parallel intensiv an unserer Teamaufstellung und vor allem an der Verprobung unseres MVPs bei Kunden. Hier sammeln wir Kundenfeedback und suchen aktiv nach weiteren produzierenden Unternehmen, die unser System testen wollen. Wir sind also offen für Kontakte zu in Serie produzierenden Unternehmen, aber auch zu Studierenden aus dem Bereich Data Science, die sich eine Zusammenarbeit in einem Start-up vorstellen könnten. Wer sich aber auch anderweitig austauschen möchte oder Fragen zu Gründungsthemen hat, kann sich gerne bei uns melden - wir sind super gern bereit, Vision und Innovation zu fördern und zu unterstützen.

Euer Tipp an alle Gründungsinteressierten:

Wenn ihr nicht alleine gründet/gründen wollt, nehmt euch wirklich die Zeit mit euren Co-Foundern über Ziele, Erwartungen und sonstige Aspekte zu sprechen. Seid dabei ehrlich, denn alles andere führt nur langfristig zu Problemen. Schaut nach Beratungsangeboten bei der WORLDFACTORY und bei der Bochumer Wirtschaftsförderung. Schaut zuerst nach Fördermöglichkeiten, bevor ihr gründet, da manche Förderrichtlinien beinhalten, dass ihr bei Antragseinreichung noch nicht gegründet haben dürft.
Reicht Pitchdecks und Businesspläne bei Wettbewerben ein, auch wenn Teile davon noch unausgereift sind und nutzt ganz uneitel das Feedback, um euer Material zu verbessern (auch wenn ihr nicht jeder Kritik zu 100% folgen müsst, weil auch hier viele unterschiedliche Meinungen existieren). Verbringt besonders viel Zeit damit, euch mit dem Problem auseinanderzusetzen, welches ihr lösen wollt, um dieses besonders gut zu verstehen. Wenn ihr euch hier sicher genug seid, müsst ihr euch auch nicht von jedem kritischen Feedback von Gutachtern und Jurymitgliedern verunsichern lassen.
Sonstige Themen mit denen man sich (unserer Erfahrung nach) eher früher als später auseinandersetzen sollte sind:

  • Feedback/Interessensbekundungen von echten Kunden

  • Zeitnah Recruiting einrichten, aber dann dabei Zeit lassen und sowohl fachliche Kompetenz als auch persönlichen Team-Fit berücksichtigen

  • In Bewerbergesprächen auch zukünftige Ziele und Erwartungshaltungen transparent besprechen

  • Recherche bezüglich sinnvoller Unternehmensform (schnell eine GbR Gründen ist mit wenig Aufwand verbunden, kann aber später richtig nerven).