Perspektivwechsel wagen

Das Gründungsteam von BLINC

© BLINC

BLINC ist ein Social Start-up, das sich zum Ziel gesetzt hat, Awareness und Sensibilität zum Thema Low Vision zu stärken. Mit Vorträgen und Workshops schulen die Mitarbeiter*innen von BLINC Unternehmen und Organisationen darin, ihre Strukturen inklusiver zu gestalten. Gestartet ist BLINC als Projekt bei Enactus, einem Netzwerk für soziale und nachhaltige Projekte. Die Studierendeninitiative ist ein denkbar guter Start für soziales Engagement, denn Studierende erhalten hier Beratung und Förderung für ihre Initiativen und profitieren zudem von dem Netzwerk, das sich international erstreckt. Dafür arbeitet Enactus mit einigen Partner*innen zusammen, so unter anderem auch mit dem WORLDFACTORY Start-up Center. Das Ziel, aus einem Projekt ein Social Start-up zu machen, hat BLINC erreicht. Im Interview berichten die Gründer*innen Marit und Samuel von ihrem Weg zur Gründung.

Hallo Marit und Samuel! Beschreibt doch bitte einmal eure Gründungsidee.

Angefangen haben wir mit Workshops im B2C-Bereich, in denen wir Außenstehenden die Themen Blindheit und Sehbehinderung nahebringen wollten. In den Workshops wurde Wissen vermittelt durch eigenes Erleben und Erfahrungsaustausch. Die Idee des Workshops ist es, den Teilnehmenden die Augen zu verbinden, sodass sie Kunst mit all ihren anderen Sinnen erleben: Hören, Riechen, Tasten, Schmecken. Es wird mit Modelliermasse gearbeitet und gezeichnet. Wir fordern ihre Sinne und Kommunikationsfähigkeiten heraus. Die Teilnehmenden erleben einen Perspektivwechsel und erfahren, dass man auch mit Sehbeeinträchtigung viel mehr erreichen kann, als Stigmata und Klischees glauben lassen. Am Ende gibt es einen Austausch mit den blinden und sehbehinderten Workshopleitungen, um sich über ihre Erfahrungen und ihren Alltag auszutauschen und ihnen persönliche Fragen dazu zu stellen.

Jetzt richtet sich unser Hauptaugenmerk vor allem auf Unternehmen und Organisationen. Unser Ziel ist es, möglichst viele Menschen mit Low Vision Hintergrund auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, Barrieren abzubauen und Awareness für die derzeitige, schwierige Situation zu schaffen. Zu viele blinde und sehbehinderte Personen sind arbeitslos und finden keinen Job, da es zu wenig Aufklärung über die Arbeitsweisen von Blinden und Sehbehinderten gibt und immer noch Vorurteile herrschen. Diese wollen wir abbauen und Unternehmen Knowhow dafür an die Hand geben, welches sie brauchen, um Menschen mit Low Vision Hintergrund in ihre Strukturen zu integrieren, was wir durch Workshops, Vorträge und weitere Dienstleistungen erreichen wollen.
 

Gestartet seid ihr als Projekt der Studierendeninitiative Enactus Bochum. Wie seid ihr auf Enactus und das Projekt BLINC aufmerksam geworden? Wann und wie kamt ihr auf den Gedanken/ wart ihr so weit, aus dem Projekt ein Start-up zu gründen?

BLINC als Projekt ist im Sommer 2018 entstanden, damals war die Idee die Situation für Blinde und Sehbehinderte auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Das sollte damit erreicht werden Kunst von Blinden und Sehbehinderten zu verkaufen. Eine Freundin von Samu, die damals ein anderes Enactus Projekt geleitet hat, hatte ihn gefragt, ob er nicht das Projekt unterstützen möchte. Da er selbst stark sehbehindert ist, könnte er mit seiner Perspektive einen relevanten Beitrag zur Projektentwicklung leisten. Im Sommer 2019 kam dann Marit zu BLINC dazu. Wir haben uns in der Schule kennengelernt, weil wir beide eine Förderschule Sehen in Soest besucht haben und dort gemeinsam unser Abitur gemacht haben. Und da BLINC noch nach Workshopleitungen gesucht hat, ist Marit dann als Workshopleitung und Projektmitglied ins Projekt gekommen. Im April 2021 haben wir dann beide die Projektleitung von BLINC übernommen und die Idee unseres Konzeptes zusammen noch einmal ein bisschen verändert, zu eben der Gründungsidee, die jetzt steht und mit der wir uns gerne ausgründen möchten. Wir haben gesehen, dass es einen Markt für unser Angebot gibt und dass uns eine Nachfrage und positives Feedback erreicht hat. Außerdem haben wir gesehen, dass andere Firmen mit einer ähnlichen Dienstleistung, bereits erfolgreich in dem Markt agieren. Die Road-Map zur Gründung ist bereits klar abgesteckt, jetzt geht es darum die Strategie umzusetzen und uns erfolgreich auf dem Markt zu etablieren.

Wie lässt sich die Gründung mit dem Studium/dem Beruf vereinbaren?

Eine Gründung ist zeitintensiv und fordernd. Man muss priorisieren und bereit dafür sein, Sachen hintenanzustellen. Man sollte das Ziel nicht aus den Augen verlieren und wissen, wofür man seine Zeit aufwendet und dass man das macht, weil man weiß, dass dabei Gutes entsteht. Man sollte seinen eigenen Purpose kennen, um 100 Prozent Commitment einbringen zu können.

Die WORLDFACTORY bedeutet für uns…

…,dass wir Unterstützung bei unserer Gründung erfahren. Die WORLDFACTORY hat uns beispielsweise wertvolle Workshops, Weiterbildungsmöglichkeiten und Wettbewerbe vermittelt. Die Berater*innen der WORLDFACTORY stehen uns immer mit einem offenen Ohr zur Seite und helfen und unterstützen uns, wo sie können und geben uns viele Hilfen und Tools mit an die Hand.

Was sind die größten Herausforderungen, auf die man stoßen kann und wie geht man damit um?

Wir haben ja schon am Anfang erzählt, dass wir unser Konzept geändert haben, da wir zuerst versucht haben den B2C- Markt zu bedienen und dann auf den B2B- Markt umgeschwenkt sind. Wir mussten die Erfahrung machen, dass sich für die B2C-Workshops zu wenig Teilnehmende gefunden haben und mussten demnach unsere Strategie ändern. Man sollte flexibel und kreativ sein, da es immer sein kann, dass etwas nicht so funktioniert, wie man dachte. Rückschläge gehören dazu und man muss positiv in die Zukunft blicken, um später Erfolge zu erzielen.

Was ist das Besondere an eurem Start-up?

Eine Besonderheit unseres Start-ups ist es, dass wir als Gründer*innen selbst gesetzlich blind sind und somit eine besondere und vor allem vorteilhafte Perspektive auf unsere Problemstellung haben. Wir wissen um die Barrieren, vor denen wir immer noch stehen und uns ist es als selbst Betroffene eine Herzensangelegenheit, die Situation von blinden und sehbehinderten Personen zu verbessern. Wir stehen mit unserem Gesicht und unserem Wissen für unsere Idee ein und repräsentieren damit die Low Vision Community, was uns viele Möglichkeiten im Marketing, aber auch in der ganzen Umsetzung schafft.

Gab es einen Punkt, an dem ihr gesagt habt: "Jetzt haben wir es geschafft"? Ist das vielleicht etwas, das ein Social Start-up von anderen unterscheidet?

Bis dato würden wir nicht sagen: „Jetzt haben wir es geschafft haben“, dafür muss noch einiges passieren. Wenn wir sehen, dass wir einen Beitrag geleistet haben, dass die Arbeitslosenzahlen von Menschen mit einer Blindheit oder Sehbehinderung sinken und Inklusion als gesellschaftliches Ziel gestärkt gefördert und umgesetzt wird, dann haben wir etwas geschafft. Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg und wir hoffen mit unserem Projekt zur Lösung des Problems beizutragen. Was ein Social Start-up von anderen unterscheidet, ist, dass wir sozial handeln und dass wir an der Lösung eines gesellschaftlichen Problems arbeiten. Das gibt uns eine zusätzliche Perspektive und den Willen, aktiv an einer Veränderung zu arbeiten.

Wo steht ihr aktuell und was kommt als nächstes?

Aktuell stehen wir vor der Herausforderung unseren Vertrieb zu stärken. Wir sind mit vielen Unternehmen im Austausch, bieten schon Key Notes an und geben Workshops. Dadurch erhalten wir schon einiges an Feedback. Das gilt es jetzt gut umzusetzen, um so noch gezielter an Unternehmen herantreten zu können. Wir stehen gerade vor unserer Gründung und nehmen gezielt an Wettbewerben teil, um dem Ziel einer Gründung näherzukommen.

Euer Tipp an alle Gründungsinteressierten:

Macht euch klar, warum ihr das macht und schreibt euch euren Purpose auf. Denn am Ende ist der stärkste Grund für die eigene Arbeit immer das „Warum“. Genau das ist der Motor, der uns antreibt und stetig motiviert!

Zu Enactus Ruhr-Universität Bochum e.V.:

Die Studierendeninitiative Enactus besteht aus einem Team aus kreativen Studierenden aus Bochum & Umgebung. Ziel ist es, mit innovativen Projekten unsere Erde nachhaltig zu einem besseren Ort zu machen. Dafür entwickelt das Team soziale Innovationen und setzt diese in verschiedenen Projekten um. Die Nachhaltigkeit der Arbeit stellt Enactus durch die Gründung gemeinnütziger Organisationen sicher, aus denen nachhaltige und profitable Startups hervorgehen, die sich langfristig selbst organisieren und finanzieren. Enactus gibt es aber nicht nur in Bochum. Über 1.500 Studierende engagieren sich in 32 Städten in Deutschland. Das ist aber nur ein Bruchteil des Enactus Netzwerks: Weltweit gibt es über 37.000 Enactees in 33 Ländern.