Legal Guide #2: Sozialversicherung für Gründer*innen

Mann schaut auf Laptop und macht sich handschriftliche Notizen.

Du stehst mit deinem Start-up kurz vor der Gründung, bist dir aber in einigen Rechtsfragen noch unsicher? In unserer neuen "Legal Guide" Blogserie widmen wir uns rechtlichen Grundlagen für Start-ups und klären die wichtigsten Rechtsfragen, die vielen Gründer*innen auf dem Herzen liegen. Dafür haben wir uns fachliche Unterstützung von den Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen von Aulinger Rechtsanwälte Notare geholt, die euch in unseren Legal Guides einen kompakten Überblick über Rechtsthemen für Gründer*innen geben. Heute geht es um das Thema Sozialversicherung.

Endlich die richtige Idee, endlich die richtige Unternehmensform und vor allem endlich Geld sparen. Denn Sozialversicherungsbeiträge fallen für Gründer*innen doch nicht mehr an, oder? Letzteres wäre zu schön um wahr zu sein. Und das ist es auch. Denn als Gründende seid ihr nicht automatisch sozialversicherungsfrei. Wer hier nicht aufpasst, muss am Ende tief in die Tasche greifen. Wieso? Das verraten wir euch heute in unserem Legal Guide #2.

Vorab das Wichtigste auf den Punkt gebracht: Stellt Fragen!

Es ist nicht gänzlich falsch, wenn Gründer*innen davon ausgehen, dass sie keine Sozialversicherungsbeiträge leisten müssen. Denn die Regel lautet: Selbstständige sind nicht sozialversicherungspflichtig. Doch Vorsicht: Keine Regel ohne Ausnahme. Gerade im Sozialversicherungsrecht (vor allem in der Rentenversicherung) gibt es so einige Ausnahmen. Wer zu Beginn eines Start-ups die – zugegebenermaßen eher langweilige aber wichtige – Thematik Sozialversicherung ignoriert, wird am Ende eventuell mit hohen Nachzahlungen konfrontiert. Gönnt diesem Artikel daher 5 Minuten Aufmerksamkeit, lasst Euch – dies ist leider unabdingbar – individuell beraten und macht nicht den Fehler, zu denken: „wird schon gut gehen“. Denn oft geht es richtig schief.

Ihr findet im Internet einige Zusammenfassungen zur Sozialversicherungspflicht von Gründer*innen und Selbstständigen. Doch diese sind in der Regel ungenau und unvollständig. Auch wir möchten und können euch heute keine pauschale Lösung präsentieren. Hierzu ist die Thematik zu umfassend und zu kompliziert. Wir möchten euch unbedingt raten, dass ihr immer Rücksprache mit euren Krankenversicherungen, der gesetzlichen Rentenversicherung und gegebenenfalls euren Anwalt haltet. Solltet ihr am Ende dieses Berichtes zumindest ein gewisses Problembewusstsein in Bezug zur Thematik der Sozialversicherung gewonnen haben, dann seid ihr schon schlauer als viele andere Gründer*innen.

Was gehört zur Sozialversicherung?

Was gehört überhaupt zur Sozialversicherung und wieso ist Sozialrecht in Deutschland für Unternehmer*innen immer ein Dauerbrenner? Ganz einfach: Deutschland ist ein Sozialstaat. Dies bedeutet grundsätzlich, dass jede*r Bundesbürger*in in Notsituationen Unterstützung erhalten und insbesondere in Zeiten von Krankheit und Alter abgesichert sein soll. Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz verankert und besteht aus den sogenannten fünf Säulen. Zur Sozialversicherung gehören die (i.) Krankenversicherung, (ii.) Pflegeversicherung, (iii.) Arbeitslosenversicherung, (iv.) Unfallversicherung und zuletzt (v.) die Rentenversicherung. Die Einzelheiten der Versicherungspflichten sowie auch die Sozialgerichtsbarkeit regeln die Sozialgesetzbücher, insbesondere das vierte Sozialgesetzbuch (SGB IV) als „allgemeiner Teil“.

Wer ist in den Sozialversicherungszweigen pflichtversichert?

Je nach Erwerbsstatus und je nach privater Situation (Studium, Arbeitslosigkeit, Rente u.a.) unterliegen die in Deutschland lebenden Personen entweder für alle fünf Säulen oder nur für einzelne Säulen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht. Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass alle in Deutschland lebenden Personen jedenfalls Mitglied einer Kranken- und (abgesehen von wenigen Ausnahmen grundsätzlich auch) Pflegeversicherung sein müssen. Je nach Status (abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit) oder eurem Jahresverdienst könnt ihr zwischen einer gesetzlichen oder einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung wählen. Doch um diese beiden Versicherungen kommt ihr nicht herum. Lediglich für die drei weiteren Säulen (Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Unfallversicherung) besteht nicht immer eine Versicherungspflicht.

So genießen insbesondere Selbstständige, Beamte und auch Existenzgründende Sonderrollen. Sie unterfallen teilweise erst gar nicht der Sozialversicherungspflicht, oder können sich teilweise von der Sozialversicherung befreien lassen. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Denn es gibt viele Sonderfälle und vermeintliche Kleinigkeiten können sozialversicherungsrechtlich einen großen Unterschied machen und erheblich sein. Während beispielsweise der Alleingesellschafter einer GmbH eines neu eröffneten Systemhauses grundsätzlich sozialversicherungsfrei ist, gilt das nicht (mehr), wenn er gemeinsam mit zwei weiteren gleichberechtigten Mitgesellschaftern die Gesellschaft gegründet hat. Weiterhin besteht in gewissen Berufszweigen auch für Selbstständige eine Sozialversicherungspflicht, wobei sich einige wiederum von der Versicherungspflicht befreien lassen können (z.B. Handwerker und Landwirte), einige aber nicht. Lehrer und Erzieher, die keine Angestellten haben, sind in der gesetzlichen Rentenversicherung genauso pflichtversichert, wie beispielsweise Hebammen, vgl. § 2 SGB VI. Eine weitere Ausnahme sind Selbstständige, die (fast) nur einen Auftraggeber haben und mit diesem den höchsten Anteil ihres Umsatzes erreichen. Der Gesetzgeber geht hierbei von einer besonderen Schutzbedürftigkeit der Erwerbstätigen aus, weshalb eine Sozialversicherungspflicht gerechtfertigt sei. Doch auch von dieser Ausnahme gibt es wieder Rückausnahmen. Denn wenn der Selbstständige, der (regelmäßig nur) einen Hauptauftraggeber hat, wiederum eigene sozialversicherungspflichtige Angestellte beschäftigt, wird hierdurch wiederum eine Sozialversicherungsfreiheit des Selbstständigen begründet.

Und noch eine anscheinend leichte Frage, die so leicht gar nicht ist: Wer ist überhaupt aus sozialversicherungsrechtlicher Perspektive selbstständig? Gelten hier die faktischen „Machtverhältnisse“ oder ist es von Relevanz, wie viel man arbeitet? Die Sozialgerichte und die Behörden orientieren sich hier an gerichtlich überprüfbare Fakten. Nur wer über sein eigenes Schicksal entscheiden kann und die Geschicke des Unternehmens steuert, ist selbstständig. Selbst wenn du alleiniger und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer sowie Mitgesellschafter einer GmbH bist, kannst du sozialversicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigter eingeordnet werden. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn du von deinen Geschäftspartnern im Zweifel überstimmt werden kannst. Und auch als Einzelunternehmer*in bist du nicht automatisch selbständig. Sofern dir von deinem Auftraggeber Weisungen zur Art und Weise der Ausübung der Tätigkeit erteilt werden, wirst du ganz schnell als dessen abhängig Beschäftigter eingeordnet. Im Zweifel solltest Du bei der Clearingstelle der Rentenversicherung ein so genanntes Statusverfahren durchführen lassen.

Und noch etwas ist wichtig. Für eine Sozialversicherungsfreiheit musst du hauptamtlich selbstständig sein. Wichtig ist hier, welche deiner Tätigkeiten dich zeitlich am meisten in Anspruch nimmt. Ist es dein Studium, oder dein Start-up? Oder ist es am Ende sogar der Kellnerjob? Der Umfang der Tätigkeiten bestimmt über deine Sozialversicherungspflicht.

Gibt es Ausnahmen für Existenzgründende?

Wie du nun gelesen hast, sind Selbstständige nicht immer sozialversicherungsfrei. Mit der Sozialversicherungspflicht sind aber vor allem Ausgaben für das Unternehmen verbunden, die gerade in den ersten Gründungsjahren schmerzen können und Wachstum verhindern. Dies hat auch der Gesetzgeber gesehen. Für Existenzgründende gibt es daher die Möglichkeit, sich für die ersten drei Jahre der Tätigkeit von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Ein entsprechender Antrag muss allerdings innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der selbstständigen Tätigkeit gestellt werden. Eine verspätete Antragsstellung führt zu einer Kürzung des Befreiungszeitraumes.

Wir wissen: Gerade in den Anfangsjahren ist es für Neugründer*innen wichtig, möglichst viel Kapital anzusparen und Gewinne direkt zugunsten des Unternehmens zu reinvestieren. Weil ihr als Gründende zudem die vollständigen Beiträge der Sozialversicherung tragen müsst (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile), sind diese laufenden Kosten ein unangenehmes Übel. Solltet ihr aber sozialversicherungspflichtig sein und gleichwohl keine Beiträge leisten, können diese für einen Zeitraum von grundsätzlich vier Jahren nachgefordert werden. Zudem drohen Säumniszuschläge in Höhe von 1% pro Monat. Das Thema sollte daher nicht unterschätzt werden.

Rechtlicher Hinweis: Bitte beachtet, dass eine Lektüre dieses Beitrags in keinem Fall eine Rechtsberatung ersetzt. Solltet ihr Fragen haben, setzt euch gerne mit uns in Verbindung.