Selbstverständlichkeit für etwas Selbstverständliches

Jessica und Michael von Pavoa im Makerspace.

©Pavoa

Die Idee von Pavoa setzt an einem für viele Menschen sehr alltäglichen Problem an: nämlich der Verfügbarkeit von Menstruationsartikeln auf öffentlichen Toiletten. Mit der Entwicklung eines Tamponspenders, der durch kontaktloses Auslösen einzelne Tampons ausgibt, möchten die Gründer*innen von Pavoa nicht nur das Versorgungsproblem angehen, sondern gleichzeitig das Tabu aufbrechen, das diesem Thema nach wie vor anhaftet. Gleichzeitig tüfteln sie stets daran, ihre Produkte so langlebig wie möglich zu konstruieren, um unnötige Müllproduktion zu vermeiden.

Stellt euch als Gründungsteam doch einmal kurz vor. Wer steckt hinter dem Start-up?

Wir – das sind Michael, Jessica und Carl – haben uns an der Ruhr-Uni Bochum während unseres SEPM Studiums kennengelernt. Also Sales Engineering und Produktmanagement heißt das, sozusagen ein Cross-over aus Maschinenbau und Vertrieb – eine echt spannende Kombi! In unserem Team sind die Aufgaben klar verteilt: Jessica übernimmt das Vertriebliche, Carl die Produktion und Michael die Entwicklung sowie alles andere, was klemmt und Betriebswirtschaftlich zu beachten ist.

Beschreibt eure Gründungsidee:

Die Grundidee ist, kostenfreie Hygieneartikel/Menstruationsartikel auf öffentlichen Toiletten so selbstverständlich zu machen wie Klopapier! Stellt euch vor, ihr seid unterwegs und denkt: „Verdammt! Mein Toilettenpapier liegt noch zu Hause!“ Klingt absurd, oder? Und da wollen wir hin! Es geht uns darum eine Selbstverständlichkeit für etwas Selbstverständliches zu schaffen. Das fängt an durch Sichtbarkeit und Verfügbarkeit. Wie lässt sich das aber nachhaltig umsetzen? Niemand möchte sich den Mehraufwand ans Bein binden, sich alle fünf Minuten um das Nachfüllen der Geräte kümmern zu müssen. Und irgendwann macht es dann keiner mehr. Jeder kennt das Dilemma mit dem Toilettenpapier – manchmal verschwindet es aus öffentlichen Toiletten wie von Geisterhand. Als Reaktion gibt es dann häufig die Sorten Schmirgelpapier oder Halbtransparent in den Toiletten. Unsere Lösung: ein cleverer Mechanismus - Werden den Spendern zu viele Artikel in zu kurzer Zeit entnommen, erhöht sich automatisch die Zeit, bis ein neuer Artikel entnommen werden kann. Und da es das so noch nicht gab, haben wir unseren eigenen entwickelt.

Wie kamt ihr auf den Gedanken, ein Start-up zu gründen?

Auf das Thema gestoßen sind wir durch unsere Tätigkeit im Fachschaftsrat SEPM. Da gab es die Anfrage an unseren Fachschaftsrat, ob jemand Bock hätte sich an einer Arbeitsgruppe zu betreiligen, die sich zum Ziel gesetzt hat kostenfreie Tampons an die RUB zu bringen. Teil davon sind wir zwar nicht geworden, wollten aber unseren Beitrag dazu leisten. Am Anfang war der Gedanke ein Start-up zu gründen überhaupt nicht da. Wir hatten einfach Bock eine technische Lösung zu finden. Nachdem wir die hatten und die sehr gut war, haben uns Freunde und Bekannte so lange gestupst, bis wir den Sprung gewagt haben. Denn bei so einer Entscheidung muss klar sein: Ganz oder gar nicht! Also haben wir uns auf zum Abenteuer Start-up gemacht!

Wie ließ sich die Gründung mit dem Studium/dem Beruf vereinbaren?

Puh, schwer bis gar nicht. Wenn man möchte, dass alles funktioniert, muss man Abstriche machen. Beim Job geht das nicht, von irgendwas muss man auch die Miete zahlen, also bleibt nur noch die Freizeit weg zu streichen. Aber auch das Studium wird schwerer. Plötzlich sind da Bücher voll mit To-Do-Listen, die natürlich am besten alle sofort erledigt sein sollten. Und auch so unterschiedlich wie sie nur sein können. Das macht es abwechslungsreich und auch viel Spaß, nur wird der Platz im Kopf knapp um sich dann hundertprozentig aufs Studium zu konzentrieren. Da wird man im Privaten schnell „betriebsblind“. Bei den vielen Probleme, die es am Tag zu lösen gibt, fängt man schnell an, nur noch auf das Negative zu achten. Da muss man dann Pausen einplanen, um sich aktiv die wirklich tollen Dinge, die passieren, in den Vordergrund zu holen und auch wertzuschätzen.

Die WORLDFACTORY bedeutet für uns…

… fast schon sowas wie ein Zuhause. Zusammen mit dem dazu gehörenden Makerspace, einem Ort an dem man allerlei Maschinen zur Verfügung hat, um an seinem Prototypen zu schrauben, ein Platz mit ganz vielen netten Menschen, an die man alle möglichen Fragen rund um die Gründung richten kann und … das merkwürdige dabei … die helfen einem sogar noch gerne! Verrückt!

Was sind die größten Herausforderungen, auf die man stoßen kann und wie geht man damit um?

Diese Herausforderungen erst einmal zu Sortieren! Es sind nicht nur die vielen unterschiedlichen Themen, mit denen man sich beschäftigen muss. Häufig ist es schon eine Herausforderung zu wissen, was für Themen es überhaupt gibt, mit denen man sich beschäftigen muss.

Was ist das Besondere an eurem Start-up?

Vielleicht, dass wir es noch als selbstverständlich sehen, unsere Produkte selbst herzustellen. Alles geht natürlich nicht, aber wenn es möglich und wirtschaftlich tragbar ist, machen wir das selbstverständlich hier in Bochum. Wo bleibt denn sonst der Spaß, wenn man seine eigenen Produkte nicht mehr herstellt? Tatsächlich werden wir das häufiger gefragt. Anscheinend ist es gar nicht mehr so üblich, lokal zu produzieren.

Etwas anderes ist uns auch noch wichtig: Wir möchten, dass unsere Produkte am liebsten ewig halten. Sollte mal etwas kaputt gehen, wird das Reißbrett rausgeholt und geschaut, was wir machen können, damit das nicht mehr passiert! Die Industrie hat uns alle so weit gebracht zu glauben, Geräte gehen nun mal nach ein paar Jahren „selbstverständlich“ kaputt, aber das ist Unsinn. Ich repariere in meiner Freizeit alles Mögliche und oft sind es Kleinigkeiten. Hier fängt Nachhaltigkeit an und das ohne Einschnitte der Lebensqualität.

Wo steht ihr aktuell und was kommt als nächstes?

Da gab es ja so fancy Start-up Begriffe für - die mir aber gerade nicht einfallen, aber so kurzgefasst – ProduzierenWeiterentwickelnMenschen überzeugen. Das lässt sich etwas schwer als „aktuell“ ausdrücken, die Prozesse wiederholen sich ja ständig. Wir möchten unseren Kund*innen das Leben so einfach wie möglich machen. Da gehört natürlich dazu, unsere Produkte immer wieder auf den Prüfstand zu stellen und zu überlegen: „Was geht besser?“. In Zukunft möchten wir mehr mit Schulen direkt zusammenarbeiten und Strategien entwickeln, wie das Thema Menstruation langfristig so in den Unterrichtsplan integriert werden kann, dass es nicht als Tabu empfunden wird.

Euer Tipp an alle Gründungsinteressierten:

Erstmal machen! Sich nicht in Details verlieren und die eigenen Moralvorstellungen anfangs in Warteschleife stellen. Das Tütchen für das Montagematerial muss nicht am ersten Tag aus speziellem umweltfreundlichem Papier sein. Das kann auch noch später kommen. Und man kann das Produkt noch so lange planen. Erst wenn man einen Prototypen in der Hand hält, sieht man wo es zwickt. Oh, und definitiv Geld in die Hand nehmen und den Businessplan professionell machen lassen! Da hängt soviel von ab, ob ihr bei Investoren, Banken oder Wettbewerben Erfolg habt. Jeder hat seine Stärken und die liegen bei Wenigen darin, ihre Gedanken für andere in einem Businessplan gut darstellen zu können. Also kein falscher Stolz, sucht euch Unterstützung dabei!