Sitzend in Bewegung kommen

Team von Vintus

Ausreichend Bewegung, obwohl man am Schreibtisch arbeitet – das möchten Dr. Johannes Wappenschmidt und Ahmed Chekir mit ihrem smarten Bürostuhl möglich machen. Gemeinsam haben sie die Vintus GmbH gegründet. Die Idee zum Produkt entstand durch ihre eigene Arbeit – mit wenig Bewegung am Schreibtisch.

Beschreibt eure Gründungsidee.

Bewegungsmangel im Büro oder Homeoffice macht krank. Doch bisher stört ausreichende Bewegung die Konzentration. Um das zu ändern, haben wir die smarten Sitzsysteme Hipwings entwickelt. Sie sorgen automatisch für Bewegung während der Büroarbeit. Dazu erkennt eine Sensorik die Bedürfnisse der Nutzerin oder des Nutzers in der jeweiligen Arbeitssituation. Daran angepasst, aktivieren Hipwings den Körper über motorisch bewegte Sitzteile. Nutzerinnen und Nutzer müssen deshalb nicht mehr selbst an die Bewegung denken. Sie können sich stattdessen voll auf ihre Arbeit fokussieren und die Arbeitszeit dennoch für zusätzliche Bewegung im Alltag nutzen.

Wie kamt ihr auf den Gedanken, ein Start-up zu gründen?

Vor unserer Gründung haben wir an Therapien für Volkskrankheiten gearbeitet. Dazu saßen wir selbst lange im Büro und haben uns dabei kaum bewegt. Irgendwann wurde uns der Widerspruch in unserem eigenen Verhalten bewusst. Denn auf der einen Seite wollten wir etwas gegen Volkskrankheiten tun, auf der anderen Seite war aber gerade unsere körperlich inaktive Arbeitsweise eine der häufigsten Ursachen für diese Erkrankungen. Das ergab keinen Sinn. Deshalb wollten wir unbedingt früher aktiv werden und Krankheiten verhindern, bevor sie entstehen. Mit diesem Ziel vor Augen haben wir uns überlegt, wie wir unseren Alltag gesünder gestalten können.

Wie ließ sich die Gründung mit dem Beruf vereinbaren?

Bei uns war es umgekehrt. Zunächst haben wir uns ausschließlich auf unsere Gründung konzentriert. Dabei haben wir uns mit vielen Dingen beschäftigt, die unsere eigentliche Ingenieursausbildung erweitern. Heute können wir deshalb den gesamten Prozess von der Ideengenerierung bis zum fertigen Produkt abbilden. Daher bieten wir mittlerweile auch Dienstleistungen für innovative Produktentwicklungen in den Bereichen Maschinenbau, Mechatronik und Medizintechnik an.

Die WORLDFACTORY bedeutet für uns…

Spiegel, Laserpointer, Kreisverkehr.

Spiegel, weil das Team der Worldfactory uns als Sparringspartner mit einem Blick von außen zur Seite steht. Dadurch konnten wir Dinge schneller identifizieren, die geändert werden mussten.

Laserpointer, weil sie uns interessante Kontakte aufgezeigt und gezielt vernetzt haben.

Kreisverkehr, weil man von hier aus alle Richtungen anfahren kann, sich aber letztlich für einen Weg entscheiden muss. Wie im Straßenverkehr gilt hier natürlich auch: anhalten verboten und zügig weiterfahren!

Was sind die größten Herausforderungen, auf die man stoßen kann und wie geht man damit um?

Die größte Herausforderung ist es, Veränderungen anzustoßen, voranzutreiben und umzusetzen. Gleichzeitig ist das in allen Bereichen unsere vorrangige Aufgabe als Gründerinnen und Gründer: neue Wege zu finden und Dinge einmal ganz anders anzugehen. Mit diesem Vorgehen stößt man auf der einen Seite auf Interesse und Neugierde. Auf der anderen Seite stellt man damit immer auch Bekanntes und Gewohntes in Frage. Das kann Sorgen und Ängste auslösen. Dann ist es unsere Aufgabe, diese Sorgen ernst zu nehmen und die Veränderung so zu gestalten, dass sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln erstrebenswert wird.

Was ist das Besondere an eurem Start-up?       

Unser Blick auf das Problem. Wir haben viele Menschen beobachtet, um zu verstehen, warum sie sich während der Arbeit kaum bewegen. Dabei ist uns der Schlüssel zur Lösung bewusst geworden: Es ist gar nicht entscheidend, wie man sich bewegen kann oder welche Bewegungsmöglichkeit zum Beispiel ein Bürostuhl bietet. Entscheidend ist, dass wir uns nicht zur gleichen Zeit auf unsere Arbeit und die Bewegung konzentrieren können. Dafür ist unser Gehirn nicht gemacht. Denn wenn wir leistungsfähig arbeiten wollen, dann müssen wir uns auf eine Sache fokussieren: unsere Arbeit. Das heißt im Umkehrschluss aber auch, dass wir die Bewegungsmöglichkeiten unseres ergonomischen Bürostuhls vergessen, sobald wir uns konzentrieren. So vergeht der Arbeitstag und wir merken meist erst zum Feierabend, dass wir uns wieder kaum bewegt haben.            
Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl verschiedener ergonomischer Bürostühle. Doch unabhängig von der konkreten Bewegungsmechanik basieren alle auf einem passiv mechanischen Funktionsprinzip. Das heißt, dass Bewegung nur stattfinden kann, wenn wir sie selbst auslösen.
Unser Ansatz unterscheidet sich grundlegend, denn Hipwings regen unseren Körper automatisch zu Bewegungen an. So können wir uns bewegen, auch wenn wir gedanklich völlig in unserer Arbeit versunken sind und alles andere um uns herum vergessen. Erst dadurch kann man die Arbeitszeit für zusätzliche Bewegung im Alltag nutzen, ohne die eigene Leistungsfähigkeit einzuschränken.

Wo steht ihr aktuell und was kommt als Nächstes?

Die Produktentwicklung ist abgeschlossen und zurzeit können wir Hipwings als Einzelfertigung herstellen. Außerdem konnten wir gemeinsam mit dem Lehr- und Forschungsbereich Sportmedizin und Sporternährung der Ruhr-Universität Bochum eine wissenschaftliche Probandenstudie durchführen. In der Studie waren die Bewegungen pro Zeiteinheit bei der Nutzung von Hipwings um den Faktor 11 größer als bei einem bekannten ergonomischen Bürostuhl. Die Studienergebnisse ermutigen uns, den Markteintritt anzugehen. Dazu arbeiten wir im Moment mit verschiedenen Partnern zusammen, um eine Produktionskette für die Serienproduktion aufzubauen. Für die weiteren Schritte der Unternehmensentwicklung suchen wir noch interessante Partner, die insbesondere in den Bereichen Vertrieb und Produktion mit uns zusammenarbeiten möchten.

Ein Tipp an alle Gründungsinteressierten:

Manchmal wird auf Gründungsveranstaltungen eine Startup-Glitzerwelt vermittelt, in der alle immer nur gewinnen können. Lasst euch von diesen Geschichten gerne ein bisschen anstecken und inspirieren. Aber bevor ihr euch an eine eigene Gründung wagt, fragt euch ganz genau, warum ihr die Herausforderungen des Gründens annehmen wollt. Was ist das „Why“, das euch antreibt, und auf wie viel könnt ihr dafür verzichten? Denn die Glitzerwelt kann schnell verblassen, wenn viele unvorhergesehene Herausforderungen gleichzeitig auftreten und der Erfolg auf sich warten lässt. Wenn ihr euch in diesen Momenten das erste Mal ernsthaft die Frage stellt, warum ihr das gerade überhaupt macht, dann werden euch die Herausforderungen schnell überfordern. Wenn ihr für euch aber eine klare Antwort gefunden habt, warum ihr die oftmals deutlich bequemeren Alternativen nicht wählen möchtet, dann stürzt euch mutig und entschlossen in dieses Abenteuer.

Über den smarten Bürostuhl von Vintus gibt es übrigens einen Beitrag in der Sendung Einfach genial (ab Minute 2:26).