#TOP5: GEMESYS - Ein Computer nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns

GEMESYS Co-Founder Dennis Michaelis beim WSC Demo Day.

© WORLDFACTORY Start-up Center

GEMESYS ist zweifellos ein High-Tech Start-up. Die Gründer entwickeln einen Computerchip, der sich in seinen Funktionsweisen viel stärker am menschlichen Gehirn orientiert als dies konventionelle Computer tun. Damit wird zukünftig eine viel leistungsstärkere Generation von künstlicher Intelligenz möglich sein. Der Vorteil eines solchen Ansatzes ist, dass derartige Neurocomputer deutlich schneller und energieeffizienter ist als ihre herkömmlichen Pendants. Mit dieser Innovation hat GEMESYS beim ersten WSC Demo Day im März 2023 die Jury beeindruckt und sich den dritten Platz unter den Top 5 Start-ups der RUB verdient. Wir haben die drei Gründer Dr. Dennis Michaelis, Dr. Enver Solan und Moritz Schmidt interviewt und über die Idee, den WSC Demo Day und die nächsten Schritte gesprochen.

Stellt euch als Gründungsteam doch einmal kurz vor. Was zeichnet euch aus?

Enver und Dennis bringen hervorragende technologische Expertise in unserer Nische mit. Enver konzentriert sich als CTO maßgeblich auf die tiefen Details der GEMESYS-Technologie, während Dennis als CEO viel auf strategischer und repräsentativer Ebene arbeitet. Moritz bringt hervorragende Methodenkenntnisse durch seinen Hintergrund als IT-Unternehmensberater ein, positioniert GEMESYS marktseitig und kümmert sich als CFO insbesondere um die Finanzen.

Was uns auszeichnet als Gründerteam ist die Harmonie. Von unseren Persönlichkeiten, Stärken, Schwächen, Expertisen, Arbeits- und Denkweisen sind wir sehr divers aufgestellt und ergänzen uns optimal. Das macht uns stark. Wir arbeiten hart, haben dabei aber viel Spaß und lachen oft. Wir haben eine sehr gute Diskussionskultur, wo wir ungefiltert sprechen können, ohne dass es einem falsch ausgelegt wird.

Wie hat euch der Demo Day gefallen und was ist seitdem bei euch passiert?

Der Demo Day fand an einem großartigen Ort, dem ehemaligen Verwaltungsgebäude von Opel, statt. Dieser Standort hat für die Stadt Bochum einen historischen Wert. Als gebürtiger Bochumer war es für Dennis ein besonderer Moment, da er nur weniger Hundert Meter vom Veranstaltungsort aufgewachsen ist. Die Gründungsteams waren ebenfalls großartig - mit einer großen Bandbreite zwischen neuen und erfahrenen Teams. Es war eine Freude, sowohl neue Teams kennenzulernen als auch alte Bekannte wiederzusehen.

Seit dem Demo Day hat sich einiges getan. Wir konnten unsere finanzielle Ausgangssituation nochmal deutlich durch das Einwerben von weiteren Fördergeldern verbessern. Dadurch können wir unser Team um 6 Vollzeitstellen und 5 studentische Stellen erweitern. Zudem sind wir in unsere neuen Büros auf Mark 51°7 umgezogen.

Wieso habt ihr euch dafür entschieden, im Ruhrgebiet zu gründen? Welche Vorteile bietet das Ruhrgebiet Gründer*innen aus eurer Sicht und was fehlt euch hier noch?

Zum einen bietet das Ruhrgebiet eine hervorragende Infrastruktur mit einem dichten Netz an Universitäten, Forschungseinrichtungen, Firmen und Organisationen. Außerdem gibt es hier eine sehr gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, die es einfach macht, sich innerhalb des Ruhrgebiets und darüber hinaus zu bewegen. Viele befreundete Gründer von uns haben hier ebenfalls gegründet und wir schätzen den engen Austausch mit anderen Start-ups sehr.

Was jedoch fehlt, ist möglicherweise noch eine stärkere Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren und die Möglichkeit, schnell auf Investoren und Risikokapital zuzugreifen. Hier gibt es jedoch schon einige Initiativen wie z.B. den High-tech.NRW-Accelerator, die darauf abzielen, die Start-up-Szene im Ruhrgebiet weiter zu stärken und zu vernetzen.

Gibt es einen Lieblingsarbeitsplatz für euch in Bochum?

Wir sind mit unserem neuen Arbeitsplatz im ZESS-Gebäude auf Mark 51°7 sehr glücklich!

Gründen in Krisenzeiten: Spürt ihr die Auswirkungen der Krisen in den letzten Monaten (Corona, Inflation, Rohstoffmangel etc.)? Wenn ja, wie geht ihr damit um?

Akut noch nicht, aber zwei interessante Krisen werden für uns in naher Zukunft sehr relevant werden: Seit Mitte letztes Jahr herrscht der sogenannte „VC-Winter“, wonach privates Kapital für Start-ups schwieriger zu bekommen ist. Glücklicherweise ist die Deep-Tech Branche bisher davon einigermaßen verschont geblieben. Am Ende des Jahres werden wir es herausfinden, weil wir dann ins aktive Fundraising gehen werden. Das zweite Phänomen ist der China-Taiwan Konflikt. Taiwan ist in der Herstellung von Mikrochips weltweit führend. Glücklicherweise bekommt Deutschland mit einem Werk von TSMC in Dresden und einem von Intel in Magdeburg zwei Standorte, wo wir potenziell sogar Prototypen innerhalb Deutschlands fertigen lassen können.

Laut Deutschem Start-up Monitor gehen die Zahlen der Neugründungen stetig nach oben. Gut ein Viertel aller Gründungen finden im universitären Umfeld statt. Welche Vorteile hat aus eurer Sicht eine Gründung während des Studiums?

Das Wichtigste bei einer Gründung ist ein herausragendes Gründungsteam und die ersten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im universitären Umfeld findet man viele neugierige, begabte junge Menschen, die für diese Rollen gut ausgebildet und geeignet sind. Direkt nach dem Studium ist die beste Zeit, selbst zu gründen oder in ein junges Start-up als einer der ersten Mitarbeiter einzusteigen.

Hinzu kommt die starke Förderlandschaft, die Ausgründungen aus Universitäten unterstützt. Allen voran ist hier der EXIST-Forschungstransfer zu nennen. Dies ist ein Programm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, von dem auch wir gefördert werden und uns deswegen sehr glücklich schätzen. Gemeinsam mit den Gründungseinrichtungen - hier an der RUB ist das die WORLDFACTORY - bekommt man viel Hilfe für den Start.

Ihr nehmt an sehr vielen Gründungswettbewerben teil. Zuletzt erst habt ihr im März den Gründungspreis+ beim Gründungswettbewerb – Digitale Innovationen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gewonnen. Welche Motivation steckt hinter der Teilnahme an den vielen Wettbewerben?

Für uns ist die Teilnahme an Gründungswettbewerben eine Marketingstrategie. Es geht darum unsere Idee vorzustellen, Feedback zu erhalten, mit Leuten ins Gespräch zu kommen und den Namen GEMESYS in die Start-up Welt hinauszutragen. Wenn man den ein oder anderen Hauptpreis mitnehmen kann, ist das natürlich großartig, weil das mit vielen Möglichkeiten verbunden ist: Eine Einladung zu einem Podcast, ein Artikel in einer Tageszeitung oder der Newsseite der RUB oder der Kontakt zu potenziellen Investoren und Partnern.

Auf eurer Website heißt es, dass ihr komplexe gesellschaftliche Probleme angehen und damit das Leben verbessern wollt. Könnt ihr das konkretisieren?

KI ist eine Basistechnologie, die Einzug in viele gesellschaftliche Bereiche vordringt: Sicherheit im Straßenverkehr durch autonomes Fahren, Kontrolle von Plasma im Reaktor für Kernfusion und damit die Energiequelle der Zukunft oder Medikamentendesign um heute unheilbare Krankheiten zukünftig heilbar zu machen. Eine leistungsstarke KI-Hardware ist eine der fehlenden Puzzleteile, um diese Vorhaben wirklich Realität werden zu lassen. Aber viel gespannter sind wir auf die Anwendungsfälle, die entstehen, wenn viel mehr Menschen Zugang zu leistungsstarker KI haben und selbst als Entwickler tätig werden. Der CEO von Google hat neulich erst KI als eine bahnbrechendere Erfindung als das Feuer oder die Elektrizität bezeichnet. Da wird in den nächsten Jahren viel passieren und unsere Technologie ist ein wichtiger Baustein, um das Potential von KI zu entfalten.

Ihr orientiert euch explizit am menschlichen Gehirn. Glaubt ihr, dass es grundsätzlich möglich ist, menschliches Bewusstsein zu synthetisieren?

Das ist eine schwierige Frage, weil niemand weiß, was uns Menschen Bewusstsein verschafft. Die interessantere Frage ist doch eher: wie leistungsstark kann eine künstliche Intelligenz im Vergleich zu einer natürlichen Intelligenz werden? Es ist realistisch, dass eine Nachahmung der Vorlage überlegen sein kann. Zum Beispiel ist der Vogel die Vorlage für ein Flugzeug, aber das Flugzeug kann weiter fliegen und schwerere Lasten bewegen, ist der Vorlage also überlegen. Das Bemerkenswerte hierbei ist, dass die Nachahmung sich auch in gewissen Aspekten vom biologischen Vorbild unterscheidet: Ein Flugzeug hat weder Federn, noch imitiert es einen Flügelschlag. Der Abstraktionsgrad ist also enorm wichtig. Deshalb ist es nicht unser Ziel, das menschliche Gehirn biologisch exakt zu kopieren, sondern nur die übergeordneten Mechanismen, die es so leistungsstark machen, in elektronischer Hardware nachzuahmen.

Wo steht ihr aktuell und wie sehen die nächsten Schritte aus?

Unser vollständiger Fokus liegt momentan auf der Vergrößerung des Teams. Die ersten 10 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind besonders entscheidend für die zukünftige Performance und die Kultur innerhalb der gesamten Belegschaft. Deswegen ist es hier sinnvoll, viel Zeit und Energie zu verwenden und sehr selektiv zu sein. Im Anschluss werden wir uns der ersten Finanzierungsrunde mit privatem Geld widmen. Unser Vorhaben ist sehr kapitalintensiv, besitzt aber gleichzeitig eine hohe politische Tragweite für Deutschland und Europa in Sachen technologischer Unabhängigkeit.